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Reform der Abfallentsorgung in Russland

  • Die meisten Abfälle in Russland werden auf Mülldeponien entsorgt.
  • Um dieses Problem anzugehen, wurde 2019 das Nationalprojekt „Ökologie“ verabschiedet, das ein Teilprojekt zur Schaffung eines integrierten Abfallmanagementsystems umfasst.
  • Der größte Teil der Finanzierung des Entsorgungssystems erfolgt größtenteils durch den Staat, doch dürfte die Rolle von Warenherstellern in Zukunft zunehmen.

Anreize für eine Reform der Abfallwirtschaft in Russland

40 Milliarden Tonnen Abfall lagern inzwischen in Russland. Jährlich kommen 70 Millionen hinzu, wodurch die Mülldeponien im Jahr um etwa 500.000 Hektar wachsen. Vor allem unsanktionierte Halden wuchern aus. Aber auch die legal betriebenen Deponien sind oft längst über die Grenzen ihrer Auslastungskapazität hinaus und verursachen enorme Umweltschäden.

Die Situation der Abfallwirtschaft in den größten russischen Regionen.

Um dieses Problem zu lösen, wurde im Jahr 2019 die sogenannte Abfallreform auf den Weg gebracht. Die Reform wurde aufgrund zunehmender Bürgerproteste eingeleitet. Umfragen zufolge halten die Russen die Abfallsammlung und -entsorgung derzeit für eines der dringendsten Umweltprobleme des Landes. Es gibt auch wirtschaftliche Gründe für die Reform: Wertvolle Rohstoffe wie Graphit, Zink und sogar Gold und Platin werden oft auf Deponien entsorgt. Die Abfälle in Russland gehören potenziell zu den wertvollsten der Welt.

Nationalprojekt „Ökologie“

Das Nationalprojekt „Ökologie“ soll unter anderem dabei halfen, die CO2-Emissionen deutlich zu verringern.

Auf Initiative von Wladimir Putin wurden im Rahmen des Nationalprojekts „Ökologie“ 13 Föderalprojekte gestartet, die bis 2024 umgesetzt werden sollen. Gemäß dem Föderalprojekt zur Schaffung eines integrierten Systems zur Entsorgung fester Haushaltsabfälle sollte das bestehende Entsorgungssystem von der Deponierung auf intensives Recycling umgestellt werden. Bis 2024 sollen rund 200 Deponien in Städten und 75 als besonders gefährlich eingestufte Deponien bestehen bleiben. Im Rahmen dieses Programms hat der Präsident den Bau von rund 200 modernen Recyclinganlagen angekündigt. Derzeit werden nur 7% der Abfälle recycelt und nur 3% werden wiederverwendet. Bis 2024 sollen diese Zahlen auf 60% bzw. 36% steigen.

Werden derzeit nur sieben Prozent der Abfälle überhaupt verarbeitet und gerade einmal drei Prozent wiederverwertet, soll der Koeffizient bis 2024 auf 60 beziehungsweise 36 Prozent steigen. Das Programm zur komplexen Verarbeitung von Haushaltsabfällen soll geschätzt 4,1 Milliarden Euro kosten. Gerade zu Beginn wird Russland dabei auch auf ausländische Technologien setzen.

Allerdings zielt das Nationalprojekt „Ökologie“ auch auf die Lokalisierung der Anlagenproduktion ab. Der Anteil des Technologieimports bei den Geräten und Anlagen – nicht nur beim Recycling, sondern auch bei Luftfiltern und bei der Wasserreinigung – soll bis 2024 auf 36 Prozent absinken. Für die Importverdrängung und den Aufbau eines Öko-Maschinenbausektors sind umgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro veranschlagt, wobei der Großteil von privaten Investoren kommen soll.

Finanzierung

Insgesamt 300 Milliarden Rubel (umgerechnet gut vier Milliarden Euro) soll die Infrastruktur für die modernisierte Abfallverarbeitung kosten. Davon sollen bis 2024 mehr als 200 Abfall verarbeitende Fabriken entstehen. Etwas mehr als ein Drittel der für die Reform veranschlagten Summe sind staatliche Gelder. 110 Milliarden Rubel (1,5 Milliarden Euro) schießt der Kreml in den kommenden fünf Jahren zu, wobei die größten staatlichen Investitionen 2023 und 2024 mit je rund 400 Millionen Euro vorgesehen sind. Die Regionen sind hingegen mit umgerechnet 90 Millionen Euro finanziell nur gering beteiligt.

Föderale Projekte, die Teil des Nationalprojekts „Ökologie“ sind.

Der Rest des Geldes soll von Privatinvestoren kommen. Dazu wurde das Tarifsystem in den meisten russischen Regionen Anfang 2019 bereits umgestellt. Die Bürger haben die Abfallreform also zunächst auf ihrer Nebenkostenabrechnung bemerkt. Erstmals tauchte dort gesondert der Posten Müllabfuhr auf.

Die Tarife variieren von Region zu Region, auch die Berechnungsform ist nicht einheitlich. So gelten in einigen Regionen die Tarife pro Person, in anderen pro Quadratmeter. Am meisten zahlen die Bewohner des Moskauer Gebiets (in Moskau selbst wurde der Start der Reform auf das Jahr 2022 verschoben), hier sind pro Quadratmeter im Jahr zwischen acht und elf Euro fällig. Im Durchschnitt sollen die Russen pro Jahr aber knapp 20 Euro zahlen. Damit sollen pro Jahr 180 Milliarden Rubel (2,5 Milliarden Euro) zusammenkommen, über die sich die Operatoren finanzieren sollen.

Region

Kosten pro Person und Jahr in Mehrfamilienhaus (Rubel)

Kosten pro Person und Jahr in Privatimmobilie (Rubel)

Gebiet Woronesch

165,02 (2,23 Euro)

157,64 (2,13 Euro)

Jamal-Nenzen-Kreis

151,10 (2,04 Euro)

150 (2,02 Euro)

Gebiet Nischni Nowgorod

143,98 (1,94 Euro)

118,39 (1,6 Euro)

Gebiet Stawropol

143 (1,93 Euro)

160,16 (2,16 Euro)

Gebiet Wologda

140 (1,89 Euro)

113 (1,52 Euro)

Höchste Tarife pro Person (Top-5) - Quelle: musor.moscow

Laut Branchenexperten ist der Tarif zu niedrig und erlaubt nur den Bau einer Basisinfrastruktur. Ein tieferes Recycling ist nicht möglich.

Die Regierung arbeitet derzeit daran, den Umfang und die Erhebung der „Umweltabgabe“ zu erhöhen, die Hersteller und Importeure von Waren und Verpackungen zur Zahlung einer Abgabe auf die Verwendung von Kunststoff in der Produktion verpflichtet.

Wer Verpackungsmüll erzeugt, muss für dessen Verarbeitung zahlen.

Durch eine Anhebung des Tarifs und ein konsequenteres Eintreiben der Öko-Abgabe will die Regierung die Summe auf 1,9 Milliarden Euro anheben. Derzeit laufen Verhandlungen mit der Wirtschaft über die genauen Konditionen. Das Umweltministerium hat Anfang Oktober vorgeschlagen, die Öko-Abgabe an einen Fonds des Russischen Ökologischen Operator (REO) zu überweisen. Der wiederum soll die Gelder zur Subvention von Organisationen verwenden, die sich tatsächlich mit der Utilisierung von Abfällen beschäftigen oder eigene Projekte in dem Bereich finanzieren.